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Candida auris: Infektionen mit Pilz nehmen rasant zu

Gudrun Heise
Veröffentlicht 25. Mai 2023Zuletzt aktualisiert 6. Mai 2024

Eine Infektion mit Candida auris kann für Menschen mit Immunschwäche lebensgefährlich werden. In Europa häufen sich die Fälle, in den USA haben sie sich seit 2020 vervierfacht - für Mediziner ein Grund zur Sorge.

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Candida auris als 3-D-Illustration
Eine Infektion mit Candida auris kann für Schwerkranke lebensgefährlich werdenBild: Kateryna Kon/IMAGO

Der erst vor wenigen Jahren entdeckte Pilz und Krankheitserreger Candida auris breitet sich rasch aus. Allein in Deutschland wurde er 2023 bundesweit 77 Mal nachgewiesen - das sei sechsmal häufiger gewesen als in den Vorjahren, wie aus der Auswertung des Nationalen Referenzzentrums für Invasive Pilzinfektionen (NRZMyk) in Jena hervorgeht.

Auch im restlichen Europa und den USA kommt es immer häufiger zu Infektionen mit dem Pilz, der zwischen Menschen übertragbar und gegen diverse Medikamente immun ist. Waren es in den USA im Jahr 2020 noch 1310 Fälle, wurden 2022 bereits 5754 Fälle gezählt.

Auch wenn das im Verhältnis zur Gesamtbevölkerung in den USA wenig erscheint, sind Mediziner besorgt. Bereits im Oktober 2022 hatte die WHO Candida auris in die Liste der 19 gefährlichsten Pilzinfektionen aufgenommen, der Funfal Priority Pathogens List, FPPL.

Candida auris trifft vor allem immungeschwächte Menschen

Gesunden Menschen setzt der Pilz gewöhnlich nicht zu. Aber Menschen, deren Immunsystem etwa wegen einer Operation, einer Chemotherapie oder aufgrund anderer gesundheitlicher Gründe geschwächt ist, sind besonders gefährdet. Deshalb verbreitet sich der Pilz vor allem in Pflegeeinrichtungen und Krankenhäusern.

"Die Schwäche oder das Versagen des Immunsystems ebnen dem Pilz seinen Weg und können unterschiedliche Regionen des Körpers betreffen", erklärt Oliver Cornely vom Studienzentrum Infektiologie an der Uniklinik Köln. Der Blutkreislauf gehört dazu, Wunden, der Verdauungstrakt und verschiedene Gewebe, "Wenn der Pilz den Blutstrom infiziert, kann das unter anderem zu einer Sepsis führen. Dringt der Pilz ins Gewebe ein, gelangt er irgendwann in ein Blutgefäß, wird dann über das Blut weiterbefördert und kann so in alle Organe gelangen." 

Insbesondere Infektionen von Prothesen und Fremdmaterialien im Körper durch Candida auris sind bedrohlich und schwer zu behandeln, etwa Infektionen von Gelenkprothesen.  

Invasive Pilzerkrankungen, wie sie durch Candida auris bei einigen Menschen ausgelöst werden, zählen weltweit zu den häufigsten Infektionskrankheiten. Jedes Jahr erkranken mehr als eine Milliarde Menschen daran. Rund 1,5 Millionen sterben.

Pilzinfektion: wenn der Schimmel Organe befällt

Candida auris ist lange Zeit überlebensfähig

Erstmals beschrieben wurde der Pilz bereits 2009. Die Pilzinfektion tauchte an mehreren Orten auf der Welt zeitgleich auf. Ein Grund für dieses Phänomen ist nicht bekannt, und erst in jüngster Vergangenheit tritt der Pilz verstärkt auf. "Candida auris ist der neueste unter den Hefepilzen, die sich beim Menschen ansiedeln können. Wir alle tragen verschiedene Pilze in unserem Körper. In der Regel werden sie von unserem Abwehrsystem ausbalanciert, so dass gesunde Menschen keine Probleme damit bekommen", erläutert Cornely.

Candida auris verfügt über Resistenzen, die den Pilz für Menschen mit schlecht oder gar nicht funktionierendem Immunsystem sehr gefährlich machen. "Die Resistenzen entstehen nicht erst unter einer Therapie und durch die Gewöhnung des Erregers an Antimykotika. Dieser Pilz ist quasi von Geburt an resistent. Das macht es schwieriger, ihn zu bekämpfen", so Cornely. 

Außerdem kann Candida auris auf Oberflächen überleben. "Es kann sein, dass Sie eine kontaminierte Oberfläche berühren und gar nicht wissen, dass sie den Pilz anschließend an der Haut haben. Wenn Sie dann beispielsweise einem immungeschwächten Patienten die Hand geben, können Sie den Pilz sofort auf diese Person übertragen", sagt Cornely.

Und mit dieser außergewöhnlich hohen Überlebensfähigkeit ließen sich auch die steigenden Zahlen erklären, so der Wissenschaftler weiter. Panik sei nicht angesagt, aber die Pilzinfektionen sollten ernst genommen und es sollten bessere Diagnosemethoden entwickelt werden.

Die Symptome sind unspezifisch

Wer sich mit Candida auris infiziert, bekommt häufig erstmal Schüttelfrost und Fieber. Auf einer Krankenstation ist es nicht ungewöhnlich, dass Patienten Fieber entwickeln und ihr Immunsystem zumindest zeitweise geschwächt ist.

Diese Symptome sind typisch für viele Erkrankungen. Eine Pilzinfektion zu diagnostizieren, ist daher oft schwierig. Außerdem können sie sich an verschiedenen Körperstellen entwickeln oder im Inneren von Gewebe, wo sie nicht sichtbar sind. All das verzögert die Diagnose.

Besteht der Verdacht auf eine Pilzinfektion, wird ein Abstrich gemacht und eine Pilzkultur angelegt, die molekularbiologisch und morphologisch bestimmt wird. Bis ein eindeutiges Ergebnis vorliegt, können allerdings Tage vergehen - Tage, in denen der Pilz sich weiter verbreiten kann. In dieser Zeit sinken die Überlebenschancen für den Patienten. 

"Wenn ein Patient 24 Stunden lang falsch behandelt wird oder gar nicht, weil man eben noch nicht weiß, um welchen Pilz es sich handelt, kann es sein, dass der Patient bereits Organschäden davongetragen hat", erklärt Cornely.

Ist aber klar, um welchen Pilz es geht, werden entsprechende Antimykotika, also Antipilzmittel, verabreicht. Davon aber gibt es aber nur einige wenige, und sie sind nicht bei allen Pilzinfektionen gleichermaßen wirksam. Neue Medikamente fehlen. Sie müssten dringend entwickelt werden, aber - so klagen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler - die Forschung zu Pilzinfektionen werde viel zu sehr vernachlässigt, obwohl sie ein hohes Gefahrenpotential haben. 

Pilze sind sehr anpassungsfähig

Pilze sind neben Tieren das zweitgrößte Organismenreich. Sie sind auf unserer Haut, in der Lunge und im Mund, im Darm und in der Vagina. Nicht alle Pilze sind krankheitserregend oder gar tödlich.

Forschende schätzen, dass es weltweit etwa drei Millionen verschiedene Pilze gibt, 300.000 davon sind bekannt. Lediglich 150 bis 300 sind bislang als human-pathogen beschrieben und für rund 90 Prozent aller Todesfälle durch Pilzinfektionen verantwortlich.